Das Hormon Prolaktin – 

Oder: Warum die elterliche Aggression bei Hunden keine faule Ausrede vom Züchter ist

 

 

von Sonja Dannenberg

 

 

Die Überschrift sagt es schon: Prolaktin kann ein heikles Thema sein – oder im Umkehrschluss aber auch einfach unbekannt. Viele Züchter, so habe ich leider die Erfahrung gemacht, setzen nur einen verwunderten Blick auf, wenn man darüber redet oder wissen allenfalls grob, dass es etwas mit der Milchbildung bei der Hündin zu tun hat. Daher würde ich gerne ein paar ausführlichere und auch ehrliche Worte in diesem Artikel darüber verlieren.

 

Dazu möchte ich zunächst eine kleine Einführung geben, die die Fragen beantwortet, was das Prolaktin überhaupt ist und wie bzw. warum oder wann es entsteht. Dann werde ich aber auch auf das Hauptproblem – die ‚elterliche Schutzreaktion‘ – und den Umgang damit eingehen, um ein wenig Aufklärung zu betreiben. 

 

Als dringender Hinweis sei noch vorab gesagt: Ich übernehme natürlich keine Gewähr für alle hier erteilten Tipps und Ratschläge sowie zusammengetragene Informationen. Natürlich ist dies nach bestem Wissen und Gewissen geschehen, doch Fehler können sich immer und überall einschleichen. Bei einer Erkrankung ist immer ein Tierarzt aufzusuchen und es sollte selbstverständlich nicht lange oder nur kurz selbst herumgedoktert werden!

 

 

 

 

Was ist Prolaktin überhaupt?

Viele haben diesen Namen sicherlich schon einmal gehört, können aber trotzdem nicht so viel damit anfangen. Prolaktin ist ein Hormon, das auch den Beinamen ‚Elternhormon‘ trägt. Es ist verantwortlich für die Milchproduktion (‚laktin‘) und das Anschwellen des Gesäuges. Das ist aber ‚leider‘ noch nicht alles, denn es bewirkt auch das im Grunde ‚gute‘ elterliche Verhalten.

 

 

Warum entsteht Prolaktin?

Der Prolaktin-Spiegel steigt bei Anwesenheit oder der zu erwartenden Anwesenheit von Jungtieren.

 

Bei Rüden wird es wohl unabhängig davon im Frühjahr vermehrt gebildet, was man auf die zunehmende Länge der Tage zurückführt. Dies ist aber noch nicht ganz sicher und muss noch in entsprechenden Studien untersucht und erforscht werden.

 

 

 

Bei wem entsteht das Hormon?

Prolaktin wird nicht nur bei der Mutterhündin produziert, wie man es nun meinen könnte, da es ja auch für die Milchproduktion verantwortlich ist, sondern – wie schon angedeutet – bei beiden Geschlechtern und das nicht nur bei den Eltern. Denn in einem normalen Rudel kümmert sich die ganze ‚Familie‘ um die Welpen: Also auch die Tanten, Onkels usw. Alle bringen sich in die Jungtierpflege mit ein und haben daher eine Prolaktin-Ausschüttung. Also kurz gesagt: Auch der Rüde produziert das Hormon, allerdings der eine mehr, der andere weniger, was man dann am weniger intensiven oder eben intensiveren Verhalten erkennen kann.

 

Während das nicht bei allen Säugetieren so ist, gehört der Mensch auf jeden Fall zu der ‚Art‘, der es genauso ergeht. Sehr oft wurde schon beobachtet, dass der Mann bei der Schwangerschaft der Partnerin quasi scheinschwanger wird. Er entwickelt dann eine Birnenform sowie Brüste und die eigentlichen Geschlechtsteile schrumpfen. Das ist übrigens öfters bei jenen Männern zu beobachten, die sehr aktiv an der Schwangerschaft der Partnerin teilnehmen und sie z.B. zur Schwangerschaftsgymnastik und dergleichen begleiten.

 

 

 

Prolaktin artenübergreifend?

Ja, auch das gibt es. Viele Frauen, die schwanger sind, erleben es, dass der Hund dann plötzlich einen Beschützer-Instinkt entwickelt. Fremde dürfen dann nicht mehr so nah an das Frauchen heran (‚elterliche Schutzreaktion‘). Das heißt, der Hund produziert mit dem Frauchen zusammen Prolaktin!

 

Bei kastrierten Rüden ist das sogar noch häufiger und stärker zu sehen. Denn da diese keine Testosteron-Produktion mehr haben, kann das Prolaktin eine noch deutlichere Rolle einnehmen und kommt stärker durch, als es das bei einer intakten Testosteron-Produktion würde. Es fehlt einfach der Gegenspieler. By the way sei hier also gesagt, dass eine Kastration bei ‚Aggression‘ aus eben diesem Grund überhaupt nichts bringt und sogar nur eine Verschlimmerung dieses Zustands hervorrufen würde!!

 

Übrigens reicht es auch, wenn ein Besucher, der regelmäßig vorbeikommt, schwanger ist, um unter Umständen den Prolaktin-Spiegel des Hundes steigen zu lassen! Das kann also recht schnell gehen!

 

 

 

Löst Prolaktin die Scheinträchtigkeit der Hündin aus?

Kurz zum Begriff: Das Wort ‚Scheinträchtigkeit‘ hat sich bei uns eingebürgert, genauer müsste es aber ‚Scheinmutterschaft‘ heißen, denn wenn wir von Verhaltensweisen wie Bemuttern, Stofftiere hüten und Milchproduktion ausgehen, wird uns allen klar sein, dass dieses Verhalten das einer Hündin ist, die bereits geworfen hat und nicht gerade erst oder noch tragend ist.

 

Aber nun zu der Frage: Ja, Prolaktin ist das Scheinmutterschaften auslösende Hormon. Es wird etwa 2 Monate nach den Stehtagen (also zum Geburtstermin) produziert.

 

 

 

Was ist mit einer Kastration wegen Scheinträch-tigkeit?

Kurz und knapp: Nein! Es ist regelrecht in Mode gekommen wegen einer Scheinträchtigkeit (oder wie wir gerade gehört haben: eigentlich Scheinmutterschaft) sofort zu kastrieren, um der Hündin den ‚Leidensdruck‘ zu nehmen. Das ist aber ein rein normales biologisches Verhalten, was bei jeder Hündin zwei Monate nach den Stehtagen einsetzt. Nur bei der einen merkt man es, bei der anderen nicht.

 

Experten sagen mittlerweile sogar, dass man ‚wegen ein bisschen Milcheinschuss und Spielzeughüten‘ nicht auch nur daran denken sollte, zu kastrieren. Nur in absoluten Einzelfällen, wenn die Hündin beispielsweise regelrecht depressiv wird und unter starken Hormonschwankungen oder Hormon-Haushalt-Entgleisungen leidet, dass kein normales Leben mehr möglich ist, macht es Sinn. Es muss immer im Individualfall betrachtet und entschieden werden.

 

Übrigens können auch kastrierte Hündinnen Gesäuge anlegen und entsprechendes Verhalten zeigen.

 

 

 

Die elterliche Schutzreaktion:

Selbstverständlich möchte ich nun auch auf die elterliche Schutzreaktion, die vom Prolaktin hervorgerufen wird, eingehen, da sie für den Züchter am Interessantesten ist. Natürlich fällt sie mal weniger intensiv oder eben auch einmal intensiver aus, wie nun schon erklärt wurde. Und je nachdem wie intensiv, kann es absolut schwierig werden. Aber sollten wir uns eines klarmachen: Es ist ein völlig normales Verhalten, wenn die Hündin niemand Fremdes an ihre Jungtiere lassen möchte und dabei auch einmal knurrt. Natürlich passt das heute nicht in unsere Massengesellschaft, es ist aber – noch einmal – ein biologisches Normalverhalten. Völlig sanfte Hündinnen, die nie einer Fliege etwas zu leide tun würden, können sich als regelrechte ‚Bestien‘ präsentieren.

 

Dieses Verhalten kann sogar so weit gehen, dass andere Jungtiere getötet werden (‚Infantizid‘). Das passiert gelegentlich auch bei Züchtern, die zeitgleich mehrere Würfe haben, wird aber meist totgeschwiegen, weil man Angst vor der Reaktion der Öffentlichkeit und vor Vorwürfen, man habe nicht genügend aufgepasst, hat. Auch ist in dem Zusammenhang oft zu beobachten, dass Hunde unter Prolaktin-Einfluss gerade Kinder anknurren oder angreifen. Und auch das liegt nicht an mangelender Erziehung, sondern ist ein biologisches Normalverhalten, das natürlich nicht zu tolerieren ist. Ganz klar! Ich möchte hier nur den Blick dafür sensibilisieren, wie ein solches Verhalten zustande kommt.

 

 

 

Fazit:

Leider wird auch heute noch nicht allzu offen über die Prolaktin-Problematik geredet, weil man sich als Züchter schnell dem Ruf ausgesetzt sieht, mit charakterlich nicht einwandfreien Elterntieren zu züchten. Selbstverständlich soll auch der Welpen-Interessent nicht abgeschreckt werden, denn natürlich ist ein – vorsichtig ausgedrückt – ‚ablehnendes‘ Verhalten der Mutterhündin nicht gerade einladend, von ihr einen Welpen zu nehmen.

 

Das Resultat ist meistens, dass die Hündinnen einfach zu Besuchszeiten weggesperrt werden und keinerlei Diskurs über das natürliche Verhalten stattfindet. Es wird einfach wegdiskutiert, gerade wenn man selbst Hündinnen besitzt, die einen eher weniger ausgeprägten Beschützer-Instinkt entwickeln.

 

Welpen-Interessenten kann man nur den Rat mit an die Hand geben, sehr genau hinzuschauen. Erklärt der Züchter, warum er die Hündin evtl. lieber nicht dazu holen möchte? Oder möchte er sie nur kurz holen, um ihr zu großen Stress zu ersparen? Das ist völlig in Ordnung. Manche Züchter lassen die Interessenten die Mutter in einem separaten Raum, im Garten oder auf einem Vorab-Spaziergang kennenlernen, wenn das besser funktioniert. Es gibt hier kein ‚Null-Acht-Fünfzehn-Rezept‘ und jede Situation und jede Hündin ist unterschiedlich. Meistens hilft es auch, ein wenig auf sein Bauchgefühl zu hören.

Alle unsere Welpen bekommen ASCA Papiere!!

 

Unser Zwingername (Kennel) ist beim ASCA registriert!