Ist der Hund ein reiner
Fleischfresser?
Der Omnivor:
Fangen wir also mal ganz vorne an: Der Hund stammt vom Wolf ab und wurde vor etwa fünfzehntausend Jahren domestiziert. Wenn wir uns nun den stolzen Urvater unserer Haushunde in der Phantasie vorstellen oder auch wenn wir ihn uns auf den diversen Packungen der Futtermittelmarken entgegen schauen sehen, dann assoziieren wir das immer mit einem fleischfressenden Jäger. Ergo ist der Hund auch ein Fleischfresser, ein Karnivor. Alles logisch soweit, oder?
Nein, denn hier beginnen die Missverständnisse schon. Ganz deutlich gesagt: Dass ein Hund ein reiner Fleischfresser ist, ist heute eine längst überholte Lehrmeinung, die allerdings immer noch erschreckenderweise in so manchen Köpfen sehr festsitzt und somit auch selbst über Tierärzte und insbesondere auch über Hundeschulen, wie ich feststellen musste, verbreitet wird.
Der Hund ist wie auch der Wolf ein sogenannter Omnivor, ein Allesfresser, der sich der verfügbaren Nahrung anpasst. Er ist nicht auf die Aufnahme von ausschließlich tierischer Nahrung festgelegt, allerdings auf die Aufnahme von Fleisch spezialisiert. Sein vielseitiger Stoffwechsel, den wir hier aber jetzt nicht in seine Einzelteile zerlegen wollen, macht ihn da durchaus flexibel und ermöglicht ihm das.
Im Klartext heißt das, dass der Hund nicht nur Fleisch, sondern auch eben das ganze Tier zu sich nimmt. Und das muss er auch, denn die Stoffe, die er sonst noch benötigt, sind nicht ausschließlich im Fleisch vorhanden. Ohne z.B. das Kalzium aus den Knochen, das Natrium aus dem Blut, die Vitamine aus den Organen, dem Darm und dessen Inhalt oder ohne die Fettsäuren aus dem Körperfett würde der Hund in eine Mangelversorgung driften. Auch der Wolf nimmt zusätzlich immer wieder Früchte, Gräser und Wurzeln oder sogar die Exkremente von Pflanzenfressern zu sich.
Fazit: Fleisch allein ist kein vollwertiges Futtermittel für den Hund! Eine angemessene und optimale Fütterung sieht vor, dass auch der Hund pflanzliche Stoffe zu sich nimmt.
Die drei Merkmale:
Was aber belegt uns das jetzt wissenschaftlich? Behaupten kann man ja schließlich viel. Was sagt uns, dass der Hund tatsächlich ein Allesfresser ist?
Nun, abgesehen von Wolfsbeobachtungen bzw. den Beobachtungen wildlebender Hunde (womit an dieser Stelle nicht Wildhunde wie der Dingo oder der Schakal gemeint sind) gibt es natürlich auch biologische Anzeichen, die ich euch gerne nacheinander kurz vorstellen möchte: Und zwar sind das einmal die Zähne, dann der Darm und zuletzt die Stärkespaltung.
Die Zähne:
Der erwachsene Hund verfügt über ein Scherengebiss mit 42 Zähnen, wenn es vollständig ist. Dazu gehören die spitzen langen Fangzähne, die typisch für ein Raubtier sind. Weiter hinten finden wir die scharfen Reißzähne, die ihn ebenfalls als Raubtier deklarieren. Aber wenn man sich mal die bunodonten Backenzähne ansieht, erfährt man ziemlich schnell, dass der Hund eben mehr ist als ein reiner Fleischfresser. Diese Backenzähne haben nämlich Zahnkronen, die mit Höckern versehen sind und so nur bei Allesfressern vorkommen. Diese Flächen auf den Backenzähnen sind natürlich nicht so platt wie bei uns Menschen, aber sie sind eindeutig dazu da, pflanzliche Nahrung, also Fasern, zu quetschen. Das heißt: Der Hund braucht tatsächlich auch pflanzliche Bestandteile!
Der Darm:
Der Darm eines Carnivors ist im Vergleich zu dem eines Pflanzenfressers viel kürzer. Natürlich muss man das immer in Relation setzen. Selbstverständlich ist z.B. der Darm eines Pferdes (Pflanzenfresser) allein aufgrund der Größe des Pferdes im Vergleich zu z.B. dem Darm einer Katze (reiner Fleischfresser) viel länger. Prozentual gesehen auf die Körpergröße gerechnet aber ist er eben so viel länger (teils doppelt so lang), dass man daran ablesen kann, dass es sich um einen ganz anderen Typ von ‚Fresser‘ handelt.
Fazit hiervon: Natürlich hat auch ein Chihuahua einen viel kürzeren Darm als ein irischer Wolfshund, aber trotzdem kann man daran erkennen, dass der Hund nicht nur Fleisch benötigt. Ein kurzer Darm hat weniger Zeit, die Nahrung zu zerlegen. Proteine, die Nahrung der Fleischfresser, sind sehr leicht verdaulich und da ist das schnell geschehen, gerade weil deren Verdauungskanal nur auf das eiweißreiche Futter spezialisiert ist. Pflanzliche Stoffe hingegen brauchen aber eben ihre Zeit; daher ist der Darm des Hundes etwas länger.
Die Stärkespaltung:
Was ist das überhaupt? Ihr alle habt sicherlich in der Schule im Biologieunterricht auch diesen Test machen und ein Stück Weißbrot im Mund solange kauen müssen, bis es plötzlich süß schmeckte. Genau das ist die Stärkespaltung. Die Kohlenhydrate im Weißbrot beinhalten Stärke, die durch bestimmte Enzyme in Zuckermoleküle zerlegt wird. Tatsächlich hat der Hund keine Alpha-Amylase im Speichel, so wie wir Menschen, was bedeutet: Er könnte also rumkauen, wie er wollte, es würde einfach nicht süß werden. Der Hund kann keine chemische Aufspaltung der Stärke im Maulbereich, aber an anderen Stellen.
Tatsächlich gibt es immer noch Leute, die das leugnen und auf den Wolf verweisen, der das auch nicht könne. Es wird dabei behauptet, der Darmtrakt habe sich in der Evolution vom Wolf zum Hund eben nicht viel verändern können, dafür sei die Zeit einfach zu kurz gewesen. Das stimmt so nicht! Es ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen, dass der Hund sich sehr wohl weiterentwickelt hat. Forscher haben herausgefunden, dass sogar der Wolf bis zu zwei Genkopien, der Hund aber zwischen vier und dreißig Genkopien (je nach Rasse) zur Stärkeverdauung besitzen. Das heißt: Manche Hunde könnte man nur mit Kohlenhydraten ernähren, andere wiederum nicht. (Ob das gesund ist, sei mal dahingestellt, soll aber an der Stelle nicht wichtig sein.)
Fazit:
Weder der Wolf noch der Hund sind reine Fleischfresser. Beide ernähren sich von bis zu 40% pflanzlicher Nahrung, die sie auch benötigen, um ihre Nährstoffreserven aufzufüllen. Hunde sind also Allesfresser (Omnivore), was man gut an ihrem Gebiss, dem Darm und der Veranlagung, Stärke aufspalten zu können, erkennt.