Rasseinfo
Lange habe ich überlegt, was ich den Leuten, die sich für einen Australian Shepherd interessieren, in einem kurzen und prägnanten Text mit an die Hand geben kann, um sie bestmöglich über diese, wie ich finde, wundervolle Rasse zu informieren. Und dabei ist mir immer öfter aufgefallen, dass viele Züchter den Aussie auf ihren Webseiten standartmäßig als auf der einen Seite zwar nicht ganz einfach beschreiben, auf der anderen aber als absoluten Familienhund. Letzterem will ich gar nicht widersprechen! Aber die Tatsache, dass sich alle schlechten Eigenschaften des Aussies quer durchs Netz eigentlich fast immer nur auf die Auslastung und seine Aktivität beziehen, hat mich da doch etwas stutzig gemacht.
Ja, ein Aussie kann ein absolut toller Familienhund sein. Ich persönlich kenne eigentlich gar keine Aussies - nicht einmal die, die wirklich noch als Arbeitshund "gehalten werden" -, die nicht im Anschluss an ihre Familie leben. Und tatsächlich ist es heute so, dass es Aussies gibt, die sich absolut leichtführig und ohne große Schwierigkeiten erziehen lassen. Eben so leicht oder schwer wie es generell bei Welpen, egal welcher Rasse, ist. Aber es gibt auch die andere Seite, die eben nicht nur etwas damit zu tun hat, dass der Aussie, wie so oftgeschrieben wird, ein aktiver Hund ist, kein Couchpotato und daher geistig und körperlich gefordert bzw. ausgelastet werden will, da er sich sonst andere Betätigungsfelder sucht, die seinem Herrchen oder Frauchen dann ganz und gar nicht gefallen.
"Unbedingt beachten: Man kann auch einen Aussie überfordern!"
Ich denke, die Auslastung ist eigentlich in den wenigsten Fällen das Problem! Oder noch präziser ausgedrückt: Die Auslastung ist in den meisten Fällen nicht DAS unüberwindbare Problem. Gescheitert oder aufgegeben wird bei anderen Dingen!
Meine Erfahrung zeigt, dass sich Welpeninteressenten für diese Rasse im Vorfeld eigentlich schon sehr viele Gedanken - auch wirklich verantwortungsbewusste und kluge Gedanken - machen und sich den Aussie auch gerade wegen seiner Aktivität aussuchen. Das "Problem" mit der Auslastung - der Aussie ist hier durchaus als Workaholic zu sehen - ist eigentlich das Kleinste, dem man mit konsequenten Ruheübungen sehr gut und schnell beikommen kann, auch wenn der Aussie als zweifelsohne anpassungsfähiger Arbeitshund fleißig und robust ist und Ruhepausen für sein Verständnis gar nicht nötig hat. Es muss von Anfang an klar gemacht werden, dass es kein "Höher, Schneller, Weiter" gibt. Aktivität in einem angemessenen Rahmen ist auch für den Aussie viel gesünder als ein ständiges Leben auf der Überholspur mit dem nächsten Adrenalin-Kick, der letztlich nur das Stresslevel auf ein dramatisches Maß hochschraubt. Gerade dass der Aussie Stärken in Ausdauer und Kopfarbeit hat, lässt ihn zu einem so gefragten Arbeitsinstrument werden, das man als Mensch bremsen muss.
An dieser Stelle möchte ich festhalten, dass ich hier immer nur über die Masse spreche! Natürlich gibt es Ausnahmen - ich habe ja hier auch einige Aussies, die dieser Beschreibung durchaus widersprechen!
Ein Aussie kann aber auch andere Eigenschaften haben, die unter Umständen zu schwerwiegenden Problemen führen können: Er kann z.B. Kinder hüten oder er kann mit seinem Kontrollwahn (oder Beschützerinstinkt, den ich deutlich höher ansetze als den Hüteinstinkt!!) generell sehr anhänglich und nahezu "übertreu" werden, was sogar dazu führen kann, dass man ihn nicht alleine lassen kann oder dass er einem in jedes Zimmer des Hauses folgt. Auch das ist in den meisten Fällen abtrainierbar, aber es ist eben anstrengend, bringt viel Arbeit und kostet unter Umständen auch viele Nerven. Und manches - da werden mir natürlich die Hundetrainer widersprechen - wird dem Hund nie abzugewöhnen sein und man muss dann "damit leben".
Der Aussie wurde ursprünglich dafür gezüchtet, Rinder zu hüten. Das heißt, diese Hunde können sehr körperlich und kernig sein. Sie sind halt nicht zu jedem anderen Hund nur freundlich. Sie können Ego und Selbstbewusstsein haben, was konsequenter Führung bedarf. Und auch sonst spielen sie oft sehr grob und heftig, was anderen Menschen, die das nicht gewohnt sind, übel aufstößt! Dann heißt es gleich: Pfeif mal den Hund zurück, der ist aggressiv. Aussies können in dieser Hinsicht - gerade wenn sie sich untereinander kennen - die reinsten Schlachtschiffe sein! Und sie lieben es!
Der Aussie ist ebenfalls absolut keine leise Rasse! Er kann viel bellen und je nach Wohnlage und Durchgangsverkehr oft anschlagen, wofür man ihm eigentlich nicht böse sein kann, denn das ist sein Job!
Es ist mir, wie man sieht, ein Anliegen, auch die negativen Seiten des Aussies nicht zu verschweigen und offen darüber zu reden, dass er eben nicht nur der liebe Familienhund ist, auch wenn sich die meisten Züchter natürlich bemühen, ihn dahingehend zu züchten. An dieser Stelle will ich auch ausdrücklich noch einmal darauf hinweisen, dass ich bei dieser Rassebeschreibung nicht nur von meinen eigenen Hunden ausgehe. Natürlich sind diese auch nicht perfekt, aber bitte glauben Sie nicht, dass Aussies von anderen Züchtern all diese Eigenschaften absolut nicht haben können, nur weil auf der Webseite nicht darüber geredet wird. ;)
"Der Aussie ist ein Spätzünder!"
Körperlich sollte der Aussie moderat gebaut sein, um auch seine ursprüngliche Arbeit verrichten zu können. Er sollte wendig und agil sein. Mittlerweile findet man Aussies aber von verschiedenstem Körperbau. Hier gibt es die ganz kräftigen Exemplare, die manchmal wie explodierte Sofakissen aussehen - meist trifft man diese auf Schönheitsausstellungen. Die etwas schlankeren, die ich persönlich bevorzuge, sind meistens im Sport anzutreffen. Aber auch das ist nicht zu verallgemeinern.
Auch in Sachen Farbe ist das Erscheinungsbild des Aussies sehr vielfältig: Sie reicht von red (liver) / red merle bis zu black / blue merle. Dazu kann er weiße und/oder kupferfarbene Abzeichen besitzen. Seine Augenfarbe ist genauso üppig: Verschiedene Brauntöne (chocolate, amber) bis hin zu blau oder sogar grün (greenish amber) sind möglich. Auch kommt es oft vor, dass der Aussie zwei verschiedene Augenfarben hat. Eventuelle Sprenkelungen und mehrere Farben in einem Augen sind ebenfalls nicht unüblich.
Das Fell des Aussies kann kürzer oder länger sein, glatt oder (bei Nässe) gewellt. Es gibt den Aussie mit langer Rute oder NBT (Natural Bob Tail), der natürlichen - also angeborenen - Stummelrute. Unter "Der Standard" findet ihr eine sehr detaillierte Beschreibung des Körperbaus des Aussies.
Generell ist der Aussie erst spät - etwa mit 2 bis 3 Jahren - vollständig entwickelt. Sowohl körperlich als auch geistig! Manche Hündinnen werden sogar erst mit 22 Monaten oder 2 Jahren das erste Mal läufig. Das ist zwar nicht die Regel, aber durchaus auch normal. Die Lebenserwartung des Aussies liegt lehrbuchmäßig zwar bei 12-15 Jahren, eine aktuelle Studie des ASHGI (Australian Shepherd Health and Genetics Institute) schlägt mittlerweile jedoch Alarm, dass man diese wohl mittlerweile im Durchschnitt auf etwas mehr als 9 Jahre herunterkorrigieren müsse, was leider auch meinen subjektiven Eindruck widerspiegelt.
Auch zeichnet sich der Aussie durch den sogenannten "Will to please" aus. Das bedeutet, er möchte es seinem Herrn oder Frauchen recht machen. Diese Eigenschaft ist für einen Arbeitshund natürlich essentiell, aber ich vermisse diesen "Will to please" oder dass bei Wurfplanungen auf diese Eigenschaft hingezüchtet wird, mittlerweile erheblich in der Zucht! Zudem kommt, dass ich persönlich den "Will to please" gar nicht so groß schreiben würde - es gibt hier sicherlich Rassen mit einem größeren wie z.B. den Border Collie. Der Aussie wurde dafür gezüchtet, auch einmal eigene Entscheidungen zu treffen, was ihn in meinen Augen zu einem durchaus selbstständigen und unabhängigen Hund macht, der nicht immer die Hilfe seines Menschen braucht, um darauf zu kommen, was er tun soll oder nicht. Und auch das kann unter Umständen - gerade bei Anfängern - zu Schwierigkeiten führen, wenn man keine konsequente Erziehung vornimmt. Auf der anderen Seite kann der Aussie sehr sensibel sein und feine Antennen haben für das, was der Mensch will.
Der Aussie kann zudem Fremden gegenüber reserviert sein. Das bedeutet nicht, dass er zwingend scheu ist, aber manchmal hat er einfach kein Interesse an Fremden. Es kann aber auch soweit gehen, dass er Gäste im Haus kontrolliert, sobald sie sich bewegen. Interessanterweise wird dieses Verhalten (Reserviertheit gegenüber Fremden) immer als rassetypisch bezeichnet, was sicherlich auch stimmt, denn der Aussie sollte ja seine Herde schon ein Stück weit bewachen und Fremde auf Abstand halten. Viele der Leute, die noch die ersten Aussies, die Ende der 1980er Jahre aus Amerika hier herüber kamen, kannten, beschreiben den Aussie damals aber als weitaus relaxter und unkomplizierter als heute - gerade auch im Hinblick auf das Verhalten bei Fremden, Geräuschen oder generell den Dingen, die eigentlich zu den Pflichten eines Aussies als Arbeitshund gehören. Da sich diese Aussagen daher in meinen Augen widersprechen, habe ich diese "Ahnenforschung" auch ein klein wenig zu meinem Steckenpferd gemacht.
Wie man sieht, ist der Aussie ein sehr liebenswerter Hund, der zumeist auch unauffällig bleibt. Es gibt aber eben auch die schwierigeren Exemplare, was ich nicht verschweigen mag. Ich kenne viele Hunde-Anfänger, die mit dem Aussie auf Anhieb parat kommen, aber ich kenne eben leider auch diejenigen, die sich heillos übernommen haben. Für mich ist und bleibt der Aussie aber gerade auch wegen seiner besonderen Eigenheiten - ich sage nur Genie und Wahnsinn - meine Nr. 1 unter den Hunderassen.